
Hilfe, ich hab’ nen Teenager zuhause!
Der Einzug des Welpen ist ein unglaublich toller und spannender Moment! Gleichzeitig ist die Welpenzeit aber auch anstrengend: Der Kleine muss so viel lernen, und dabei geht es ständig voran. Die Fortschritte sind schnell sichtbar, und er wird von Tag zu Tag toller und hört immer besser.
Schnell denkt man dann, dass Hundeerziehung gar nicht so schwer ist: ein paar Tage Training, und der Hund hört wie eine Eins!
Doch dann kommt häufig das böse Erwachen. Auf einmal läuft der kleine Racker, der gestern noch so brav war, einfach dem nächsten Hund hinterher und hört scheinbar überhaupt nicht mehr. Kein Rufen, kein Locken, nicht mal Leberwurst hilft mehr – die Ohren sind komplett auf Durchzug geschaltet.
Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht, und auch mich hat es damals bei meinem ersten Hund kalt erwischt. Er hatte immer aufs Wort gehört, und plötzlich rast er von der Freilauffläche los aufs Fußballfeld, 50 Meter entfernt, und mischt das Spiel gehörig auf. Da war nichts mehr zu machen, bis ich ihn endlich eingeholt und wieder eingefangen hatte.
Mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife und dem Beginn der Pubertät fängt eine neue Phase an, die viele Menschen erstmal überrascht und die auch für den Hund sehr aufregend ist.
Kurz gesagt: Die Hormone spielen verrückt. In dieser Zeit organisiert sich der Körper des Hundes komplett um. Seine Bedürfnisse ändern sich, und sogar das Gehirn wird noch einmal umgebaut. Es kann tatsächlich passieren, dass ein Hund bereits gelernte Kommandos in dieser Zeit vergisst. Auf einmal weiß er scheinbar nicht mehr, was „Sitz“ bedeutet – oder besser gesagt, er hat gerade zeitweise keinen Zugriff auf diese Information. Als Mensch steht man dann verständlicherweise frustriert davor und wundert sich, warum nichts funktioniert.
Welpen entfernen sich meist nicht sehr weit von ihrer Bezugsperson. Für sie ist es das Wichtigste, den Anschluss nicht zu verlieren und nicht allein zu sein. Das ist für den Menschen enorm praktisch, da der Kleine so immer in der Nähe bleibt. Beim Junghund verschiebt sich diese Priorität leider. Es ist nicht mehr so essenziell, ständig nahe beim Menschen zu bleiben. Die Umwelt wird oft viel interessanter, und da darf der Mensch ruhig mal ein paar Meter weiter wegbleiben. Oder der Hund rennt eben ein paar Meter in den Wald hinein, um dem Hasen hinterherzulaufen und die Welt zu erkunden.
Eigentlich ist das sogar ein richtig gutes Zeichen, ein wichtiger Entwicklungsschritt, denn es zeigt, dass sich der Hund sicher fühlt und ein ausreichend starkes Selbstbewusstsein entwickelt hat, um solche Abenteuer zu wagen. Für seine Entwicklung und eure Beziehung ist das also durchaus positiv! Trotzdem ist das im Alltag natürlich nicht immer gewünscht, klar.
Und dann ist da noch das andere Geschlecht. Auf einmal eröffnet sich eine ganz neue Welt für den Hund, eine Motivation, mit der es jetzt plötzlich zu konkurrieren gilt.
Neben all diesen neuen Reizen und Motivationen gibt es einen weiteren Faktor, der all diese Themen verstärkt: die Impulskontrolle und Frustrationstoleranz. Diese ist beim heranwachsenden Hund, ähnlich wie beim heranwachsenden Menschen, auf einem Tiefstand – ausgerechnet dann, wenn auch noch so viele neue Reize und Motivationen hinzukommen.
All das zusammen macht diese Zeit so anstrengend. Da geht es wohl jedem Hundehalter ähnlich, und jeder ist gelegentlich genervt und gestresst. Das ist völlig normal und verständlich.
Aber was kannst du tun, um diese Zeit gut zu überstehen?
Erstmal tief durchatmen 😉
Es wird auch wieder einfacher – vorausgesetzt, du arbeitest aktiv daran, dass sich das unerwünschte Verhalten nicht festigt. Mit der Zeit pendelt sich der Hormonspiegel wieder auf ein normales Maß ein, die Veränderungen im Gehirn schließen sich ab, und die Impulskontrolle verbessert sich sogar über das Niveau der Welpenzeit hinaus.
Häufig erwarten wir in der Erziehung kontinuierliche Fortschritte. Zeitweise scheint das auch zu klappen, oft aber auch nicht. Ein häufiger Fehler ist, vom Junghund das Gleiche oder sogar mehr zu verlangen, als der Welpe letzte Woche konnte. Der erste Schritt sollte deshalb sein, den Schwierigkeitsgrad wieder herunterzuschrauben. Gib dem jungen Hund die Chance, etwas richtig zu machen und positiv zu lernen. So schaffst du auch für dich selbst ein angenehmeres Lernklima.
Wiederhole also ruhig all die Schritte, die ihr bereits gelernt habt. Wenn es beim ersten Mal funktioniert hat, klappt es auch ein weiteres Mal. Während der Entwicklungsphase wird es immer mal wieder Phasen geben, in denen du im Training einen Schritt zurückgehen und vielleicht sogar wieder die Schleppleine nutzen solltest, auch wenn dein Hund zuvor schon frei laufen konnte. Durchschnittlich betrachtet, wird es aber kontinuierlich besser. Steigere die Schwierigkeit stets angepasst daran, was dein Hund gerade leisten kann – bis zum Erwachsenenalter wird es ein ständiges Auf und Ab sein.
Gerade jetzt ist es sinnvoll, schöne Momente zu schaffen: gemeinsam spielen, Neues lernen oder sogar ein gemeinsames Hobby beginnen. Dadurch steigerst du deine Attraktivität für deinen Hund und erhöhst seine Motivation, bei dir zu bleiben und auf dich zu hören – denn du bist dann genauso spannend wie die Welt drumherum.
Zudem schaffst du Erfolgsmomente, stärkst sein Selbstbewusstsein, machst ihn flexibel in seinen Entscheidungen und stärkst eure Freundschaft. Gleichzeitig nimmst du Druck raus – Druck, der in der Erziehung ohnehin groß genug ist und einen Ausgleich benötigt.
Ja, auch Konsequenz ist in dieser Zeit gefragt. Teenager testen Grenzen aus und stellen vieles infrage. Daher sind klare Grenzen wichtig – jedoch immer wohlwollend und angemessen, keinesfalls übermäßig streng. Denk immer daran, dass dein Hund von dir als Vorbild lernt. Wenn du klar, angemessen und wohlwollend mit ihm umgehst, lernt er genau dieses Verhalten. Bist du hingegen unberechenbar und übertrieben streng, wird sich dies ebenfalls in seinem Verhalten widerspiegeln.
Nehmt die Sache also nicht zu ernst: Diese Phase kann auch unglaublich spannend und lehrreich sein und euch und euren Hund noch mehr zusammenschweißen. Denkt daran, ihr schafft euch hier die Grundlage für viele tolle Jahre mit einem möglichst entspannten Hund.
Schgau gerne mal in meinem Junghundekurs vorbei wenn du Unterstützung suchst!
25.03.2025