Border Collie läuft durch ein Feld – Symbolbild für Rückruftraining beim Hund

Der Rückruf – das wichtigste Training für den Alltag

Ist das wirklich so?

Meiner Meinung nach: Jein!
Eine unbefriedigende Antwort, ich weiß – aber wie so oft im Leben ist es eben nicht schwarz und weiß. Daher ist „Jein“ häufig doch eben die richtige Antwort.

Ich stimme absolut zu, dass der Rückruf essentiell ist und dass ihn jeder Hund beherrschen sollte. Das heißt für mich aber im Umkehrschluss nicht, dass das Rückruftraining das wichtigste Training ist, das man machen kann.

Denn zum einen ist der beste Rückruf der, den man gar nicht anwenden muss – weil der Hund gelernt hat, in der Nähe zu bleiben und weil er weiß, was er tun darf und was nicht.

Rückruf in der Praxis: Wenn der Hund jagt

Gehe ich mit meinem Hund durch den Wald und uns begegnet ein Reh, mein Hund läuft hinterher, dann ist es toll, wenn ich rufe und mein Hund kommt.
Das Reh erschreckt sich trotzdem kurz – und das ist eine Gefahrenquelle.

Außerdem hat mein Hund trotzdem Erfolg mit seinem Verhalten, denn schon das kurze Rennen ist ein Erfolgserlebnis beim Jagen. Und was man häufig nicht auf dem Schirm hat: Der Rückruf selbst wirkt für viele Hunde als Verstärker – also als Belohnung. Er wird mit einer tollen Belohnung verknüpft, und jedes Kommando, das positiv besetzt ist, kann selbst als Belohnung wirken, weil es positive Gefühle auslöst.

Das heißt in diesem Fall:
Mein Hund belohnt sich selbst fürs Jagen – und ich belohne ihn durch den Rückruf noch einmal für das Jagen.

Pendelverhalten durch Rückruf?

Nicht wenige Hunde entwickeln daraus ein Verhalten, bei dem sie loslaufen, gerufen werden, zurückkommen – und wieder starten. Dabei ist es in manchen Fällen sogar egal, ob wirklich etwas zum Jagen da ist oder nicht.

Dieses sogenannte Pendelverhalten ist nicht nur nervig für den Menschen, sondern ungesund für den Hund. Denn: Jagen bedeutet Stress.
Stress ist dabei nicht generell negativ gemeint – auch spaßige Dinge bedeuten für den Organismus Stress, und das ist auch vollkommen in Ordnung und gut so.

Es ist nicht mehr gut, wenn das zum Dauerzustand wird.
Dann ist auch positiver Stress irgendwann ungesund. Er macht aufgedreht, nervös und überreizt.

Im Extremfall hatte ich mal einen Hund im Training, der zu mir kam, weil sie draußen auf der Wiese nicht mehr pinkeln wollte, sondern sich erst zuhause entleert hat – wenn sie wieder entspannen konnte.
Diese Hündin hat perfekt auf den Rückruf gehört, den ganzen Spaziergang über – aber war auch den ganzen Spaziergang über im Jagdmodus unterwegs. Und daher nicht in der Lage, in dieser hohen Erregung noch etwas anderes zu tun.

Rückruftraining ist wichtig – aber gezielt

Ein guter Rückruf ist immens wichtig, denn es kann immer mal sein, dass der Hund doch etwas tut, was er nicht soll. Dann ist es entscheidend, ihn auch vom Kaninchen abrufen zu können.
Natürlich gibt es auch viele Situationen, die nicht generell verboten sind – wie das Spielen mit anderen Hunden. Aber auch da muss ich meinen Hund situativ rufen können: wenn ich weiter muss, wenn der andere Hundehalter weiter möchte, oder aus einem anderen Grund.
Dafür ist der Rückruf entscheidend wichtig.

Und dafür ist ein gutes Rückruftraining absolut entscheidend!

Worauf es im Rückruftraining ankommt

Im Rückruftraining sollte man besonders auf drei Dinge achten:

  1. Was motiviert den Hund?

Der Rückruf ist etwas Positives – es sollte sich für den Hund wirklich lohnen, zu kommen.
Er soll sich wirklich freuen, zu seinem Menschen zu laufen. Und das kann für jeden Hund etwas anderes sein.

Am einfachsten ist es bei futtermotivierten Hunden – bei denen ein Stück Käse schon ausreicht, damit sie immer kommen.
Andere Belohnungen wie Spiel oder soziale Aufmerksamkeit können im Alltag schwerer umzusetzen sein, aber genauso effizient – das kommt ganz auf euch und euren Hund an.

  1. Das Timing

Wann sollte man den Rückruf einsetzen?
Der Rückruf sollte nur dann gesetzt werden, wenn er auch funktioniert – denn dann wird er mit jeder Wiederholung besser.
Jedes Mal, wo er nicht funktioniert, wird er schlechter.

Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass Verhalten durch den Rückruf verstärkt wird – wie oben beschrieben.
Das heißt, häufig sollte ich auch in Situationen rufen, die ich belohnen will, die ich in Zukunft häufiger haben möchte – zum Beispiel, wenn der Hund aufmerksam ist und nah bei mir bleibt.

  1. Was tun, wenn der Rückruf nicht funktioniert?

Wie setzt man einen Rückruf auch mal durch, wenn die Motivation mal nicht ausreicht?
Das ist wohl das Schwierigste am Rückruftraining.

Wenn man das beherrscht, erweitert sich auch die Regel zum Timing:
Dann heißt es – setze den Rückruf nur dann, wenn er funktioniert oder wenn du ihn gerade durchsetzen kannst.

Diese drei Punkte sollten in einem guten Rückruftraining behandelt werden.

Der Rückruf braucht ein Fundament

Das allein führt aber nicht dazu, dass der Rückruf immer zuverlässig funktioniert. Denn das beste Training nützt nichts, wenn die Basis nicht stimmt.

Damit ein Hund zuverlässig zurückkommt, muss er Reizen widerstehen können. Er muss seine Impulse kontrollieren können.
Dafür kann das Training schon zuhause starten – immer dann, wenn sich der Hund zurücknehmen muss. Weiter geht es in der Leinenführung, in der Freifolge oder in einem guten Bleib-Training.

Deshalb üben wir genau das in meinen Kursen – insbesondere im Kurs Kontrolliertes Bleiben oder in der perfekten Leinenführung –, dass der Hund lernt, Reize auszuhalten, ohne ihnen nachzugeben.

Ruhe, Aufmerksamkeit und Vertrauen

Dafür braucht der Hund Ruhe und Entspannung.

Dann ist die Aufmerksamkeit wichtig: Ein Hund kann nur auf den Rückruf hören, wenn er mitbekommt, was sein Mensch sagt – wenn er ansprechbar ist.
Dieses „Präsentsein“, das Achten auf den Menschen beim Spaziergang, ist ein wichtiger Pfeiler des Rückrufs.

Das erreicht man durch gute Kommunikation, durch Vertrauen – und auch dadurch, dass man gemeinsam Spaß hat.
Ein gemeinsames Hobby kann hier Wunder wirken.

Am Vertrauen arbeiten wir zum Beispiel im Kurs „Kontrolliertes Bleiben“, in dem ihr auch lernt, wie ihr euren Hund beschützen könnt, wenn es drauf ankommt.

Fazit

Wenn das alles geklärt ist – wenn die Beziehungsstruktur passt, dein Hund sich gerne an dir orientiert und er weiß, was er darf und was nicht –, dann wird auch das eigentliche Rückruftraining viel einfacher.

Deshalb ist der Rückrufkurs bei mir meist der letzte Baustein, nachdem Ruhe und Leinenführung in den Kursen Kontrolliertes Bleiben und Perfekte Leinenführung geklärt sind.

15.05.2025